Der Neuzugang im WMAT-Vorstand: Bernhard

Netzpolitik

Genauso wie Nicole vor einigen Tagen wird heute Bernhard Hayden als neuester, aber eben nicht mehr ganz so neuer Zugang des Wikimedia Österreich-Vorstands vor den Vorhang geholt. Mit einigen Jahren Erfahrung im Bereich internationaler Netzpolitik bereichert er uns mit seiner Expertise. Im Kurzinterview gibt er Einblick in seine Vorgeschichte und seinen ungebrochenen Kampf um ein freies Internet.

Bild: Manfred Werner | CC BY-SA 4.0

Du engagierst dich seit einiger Zeit in der Netzpolitik – wie beeinflusst diese Perspektive deine Arbeit im Wikimedia-Vorstand?

Bernhard: Ich habe mich ursprünglich durch den Gedanken politisiert, dass technologischer Fortschritt im Interesse der Menschen passieren soll. Eine Voraussetzung dafür war für mich ein möglichst freies Internet. Teil meines politischen Engagements war das Einwirken auf die Urheberrechtsreform und der Versuch, den damaligen Artikel 13 zu verhindern, den automatisierten Uploadfilter. Ich bringe aufgrund meiner Vorerfahrung eine internationale
und Advocacy-Perspektive mit, durch die ich die schlagkräftige kleine Gruppe von Wikimedia in Österreich unterstützen möchte. Ich fungiere gerne als Ansprechpartner mit praktischem Verständnis in diesen Bereichen und werde mich in Zukunft auch in der Jugendstrategie aktiv einbringen. Außerdem unterstütze ich die Geschäftsführung bei internationalem Networking.

Wo siehst du Gefahren für frei zugängliches Wissen in einer profitorientierten Gesellschaft?

Wir leben in einem Zeitalter der Echokammern, in dem der Umgang mit dem Begriff Wissen schwierig wird. Wissen ist immer etwas Gemeinschaftliches und jedes gesicherte Wissen ist das Ergebnis dessen, was wir als Menschheit zusammengetragen haben. Ohne den Austausch, den Echokammern verhindern, kann Wissen nicht gesichert werden. Wenn ich bedenke, dass Wissensbeschaffung und Wissenssicherung keine linearen Prozesse sind, Fortschritte also auch rückgebaut und menschliche Errungenschaften verloren gehen können, dann sehe ich dort eine besondere Gefahr. Ich habe die Sorge, dass der freie Zugang zu Wissen verloren geht und wir wieder in fragmentiertes Zusammentragen von Wissensteilen zurückfallen – vor allem, wenn Wissen im Internet nicht mehr frei verfügbar ist.


Wikipedia ist als Projekt ein imperfekter, aber wichtiger Raum, wo wir uns gemeinsam auf freies Wissen einigen müssen. Ich denke, es gibt einen Grund, warum es keinen profitorientierten Player gibt, der diese Rolle füllen kann.

Gibt es Lehren aus deiner Arbeit in der nachhaltigen Stadtentwicklung und lokalen Projekten, die für digitales Wissen als Gemeingut nützlich sind? Welche wären das?

Das ist eine schwierige Frage, ich sehe sehr viele Unterschiede. Wenn ich beispielsweise an Initiativen zur Umgestaltung von Grätzeln denke, dann ist von Beginn an klar, wer die Entscheidungsmacht in der Hand hält. In Wien ist das die Stadt Wien, und nicht die Leute, die im Grätzel wohnen. Es ist egal, wie fortschrittlich oder demokratisch die Initiator*innen sind, wie etwa Wir machen Wien, wo ich auch beteiligt bin. Sie sind schlussendlich Bittsteller. Bei Wikipedia ist das anders, es gibt die zentrale Entscheidungsautorität über Inhalte nicht. Die (Wikimedia) Foundation sorgt vielleicht dafür, dass die Server laufen, sie setzt aber inhaltlich nichts um.

Eine Gemeinsamkeit sehe ich aber, nämlich die Schwierigkeit, bestehende Communitys zu erweitern. Es gibt immer Hürden, die neue Gesichter davon abhalten, in eine Community hineinzufinden. Sie sind nie eine vollständige Abbildung der Gesellschaft und das gilt für die Grätzelgemeinschaft genauso wie für Wikipedia. Wikipedia muss in Zukunft inklusiver sein und lernen, mehr Perspektiven einzubinden. Natürlich immer mit der Einschränkung, dass die uneingeschränkte Einbindung jeder Perspektive sich auch negativ auf die Offenheit für Perspektiven auswirken kann – das klassische Toleranzparadoxon.