Interview: Christian Erlinger

Die Büchereien Wien sind Anlaufstelle für alle, die freien Zugang zu Wissen, Information und Unterhaltung suchen, mit 40 Zweigstellen und 170.000 Nutzer*innen jährlich. In Österreich ist diese Institution der Stadt Wien auch ganz vorne mit dabei, wenn es um den Einsatz und die Verbreitung von Wikidata im Bibliothekswesen geht, dank Christian Erlinger, Systembibliothekar bei den Büchereien Wien, der beispielsweise mit der Applikation S-O-WAS1 versucht, komplexere Rechercheanfragen zu Literatur und Autor*innen in den eigenen Beständen mit Hilfe von Wikidata zu beantworten.

Schon vor einem Jahr veranstalteten wir gemeinsam den Workshop „Wikidata Goes Library“. Ziel war es, interessierten Fachleuten Beispiele für Kooperationen zwischen Bibliotheken und Wikidata nahe zu bringen, praktische Fertigkeiten und relevante Tools zu vermitteln und eine weitere Zusammenarbeit zur Verbreitung und Nutzung von Wikidata im Bibliothekswesen zu initialisieren.

Caroline Léna Becker, CC BY-SA 4.0

 

Was waren für euch die interessantesten Einsichten und Erfahrungen in  unserer Zusammenarbeit?

Vielfältigkeit ist für die Büchereien der Stadt Wien ein zentrales Leitmotiv und dies gilt auch für Kooperationen im technologischen Bereich sowie im Austausch mit anderen Bibliotheken. Wir waren positiv überrascht vom großen Zuspruch aus der Fachcommunity und hoffen, dass wir diesen positiven Schwung an Motivation der äußerst produktiven Kooperation mit Wikimedia Österreich für weitere Veranstaltungen dieser Art nutzen können.

Welche langfristigen Effekte versprecht ihr euch durch den Einsatz von Wikidata? Gibt es schon weitere Pläne für die Zukunft?

Wikidata ist innerhalb des Wiki*versums eines der wohl momentan energiegeladensten Projekte. Mit der offenen Etablierung eines freien und maschinenlesbaren Knowledgegraphen wird vielen Menschen und Institutionen ein neuer Zugang zu Wissen aber auch zur Wissensproduktion selbst ermöglicht.

Mit dem Aufbau an Wissensbeständen haben Bibliotheken historisch große Erfahrung, man denke an die vielen Kataloge sowie an die oft mit unglaublichem Aufwand entwickelten Thesauri oder Klassifikationen. Mit Wikidata bzw. auch dem Gedanken des Wikibase-Ecosystems1 haben aber Bibliotheken sowie alle anderen GLAM2-Institutionen die Möglichkeit ihre Wissensbestände kooperativ zu erweitern und nachnutzbar zu machen.

Für die Büchereien Wien gibt es verschiedene zukünftige Anwendungs- und Nutzungsszenarien von Wikidata: Neben der Umsetzung einer semantisch gestützten Expertenrecherche wäre es gut vorstellbar dynamisch kuratierte Listen an Literaturvorschlägen (beispielsweise zu Literaturpreisen oder aktuellen Ereignissen) anzubieten oder Wikidata als bibliographische Datenbank für Zeitschriftenartikel zu nutzen.

Letzteres ist unter anderem deswegen hochinteressant, da die Büchereien Wien als öffentliche Bibliothek nicht die Möglichkeiten besitzt, überteuerte kommerzielle bibliographische Datenbanken zu lizenzieren und dies aufgrund des eher geringen Zeitschriftenbestandes auch gar nicht besonders sinnvoll wäre.

Was macht Wikimedia Österreich dabei zu einer guten Partnerin für eure Arbeit?

Wikimedia Österreich ist eine hervorragend organisierte Schnittstelle um die einzelnen Gruppen der äußerst heterogenen Community im Wiki*versum zu vernetzen. Somit kann es beispielsweise für Bibliotheken ermöglicht werden, einen guten Draht zur Tech-Community zu erhalten, um eigene Tools offen zu lancieren oder Support zu bekommen. Für Maßnahmen des nachhaltigen Community-Buildings bietet Wikimedia eine zuverlässige Unterstützung in organisatorischen und kommunikativen Belangen.


1 Wikibase ist die Mediawiki-Erweiterung, die für Wikidata entwickelt und dort verwendet wird. Unter Wikibase-Ecosystem wird ein Netzwerk an Wikibase-Systemen verstanden, die jeweils spezialisierte Datenbestände beinhalten aber vernetzt (“federated”) Ressourcen beziehen und vor allem auch abfragbar sein sollen.
2 GLAM = Galleries, Libraries, Archives and Museums.