Magdalena Reiter leitet OPEN COMMONS LINZ und ihr besonderes Interesse gilt Open Design und kreativer Kollaboration. In diesem Rahmen arbeitet Magdalena, die mittlerweile auch für unseren Vorstand gewinnen konnten, regelmäßig mit WMAT zusammen: Zum Thema Wikidata und Datenkompetenz bei Jugend hackt Österreich, das im Oktober wieder stattfinden wird, oder im Rahmen unserer gemeinsamen Konferenz “Queering Wikipedia” im Mai 2020 in Linz. Im Interview erzählt sie uns, welchen Mehrwert Organisationen wie WMAT für die Freie Szene in Österreich haben.
Die Freie Szene hierzulande ist gemessen an der Größe Österreichs sehr lebendig und innovativ. Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Erfolgsfaktoren für diese Entwicklung?
Die Szene ist zwar deutlich kleiner als beispielsweise beim großen Nachbar Deutschland, aber ihre Überschaubarkeit hat auch einen gewichtigen Vorteil: Viele Protagonist*innen kennen sich ganz einfach persönlich, was eine potentielle Zusammenarbeit spürbar erleichtert und die Szene an sich professionalisiert. Ich bin immer wieder überrascht, wie eng die Verflechtungen über ganz Österreich hinweg sind. Gerade jene Menschen, die sich mit Offenheit und Freiheit auseinandersetzen, wissen um den Mehrwert von guter Zusammenarbeit und versuchen bei dieser Vernetzung mitzuhelfen, auch wenn sie im konkreten Fall vielleicht gar nicht davon profitieren. Unterm Strich stärkt das aber alle.
Bemerkenswert ist zudem, wenn eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen freier und öffentlicher oder institutioneller Szene entsteht. Damit wird ein gesunder Nährboden für alle Beteiligten bereitet, auch wenn – oder vielleicht gerade weil – “Kulturunterschiede” überwunden werden müssen. Diese Form der Zusammenarbeit sehen wir in Österreich auch aufgrund seiner Größe gar nicht so selten, allerdings könnte es noch viel, viel mehr davon geben.
Verbesserungspotenzial besteht sicherlich hinsichtlich Diversität. Wie können wir gemeinsam künftig mehr Vielfalt in unseren Communities fördern?
Vielerorts gibt es engagierte Menschen, die bereit sind, Zeit und Herzblut für Gemeinschaften zu investieren – gerade in der Wikipedia und ihren Schwesterprojekten ist ein beachtliches Ausmaß davon zu erkennen. Gleichzeitig können wir aber eben auch beobachten, dass Gruppen nicht immer heterogen zusammengewürfelt sind, gerade wenn sie sich aus eigenem Antrieb finden. Insbesondere wenn Projekte oder Organisationen auch einen gesellschaftspolitische Dimension haben, ist vielen Beteiligten bewusst, dass unterschiedliche Perspektiven einer Sache prinzipiell gut tun und versuchen vielleicht sogar schon angestrengt mehr Diversität in der Gruppe zu erlangen. Aber ganz so einfach ist das oft nicht, gewachsenen Netzwerke zu durchbrechen. Obwohl wir so viele Möglichkeiten der Partizipation wie nie zuvor haben, erkennen wir paradoxerweise gerade durch die Digitalisierung beflügelt, wie schwierig es eben ist, Zugänge so zu gestalten, dass unterschiedliche Menschen partizipieren können oder sich überhaupt angesprochen fühlen. Eine Patentlösung für dieses Problem haben wir noch längst nicht gefunden. Eine der ersten Schritte ist aber sicher, eine gewisse Sensibilität aufzubauen, die beinhaltet einerseits anzuerkennen, dass das eine Ausgangssituation ist, die uns die nächsten Jahre und Jahrzehnte immer wieder vor neue Aufgaben stellen wird und andererseits eine Bereitschaft für mögliche Veränderungen auch innerhalb der eigenen Strukturen mitzubringen.
Was macht Wikimedia Österreich dabei zu einem guten Verbündeten für eure Arbeit?
Mein Arbeitsschwerpunkt liegt auf Offenheit in der digitalen Gesellschaft. Die Frage erklärt sich also fast von selbst, denn die Wikimedia ist eine der allerwichtigsten Wegbegleiter*innen, wenn es um den Fortschritt in Sachen freie und offene Zugänge zu Wissen geht. Sie legt als Kooperationspartnerin die Messlatte nicht nur auf theoretischer Ebene hoch, sondern bringt zudem sehr viel Erfahrung aus der Praxis einer großen Community mit. Mit so einer Partnerin macht es also große Freude zusammenzuarbeiten, sei es als Inputgeberin für die nächste Generation bei Jugend hackt Österreich oder als Verbündete beim Erstellen eines ABC der Offenheit, aber auch als Mitorganisatorin beim monatlich stattfindenden Netzpolitischen Abend AT.
Vielen Lesern der Wikipedia ist nicht bewusst, dass es hinter der Webseite eine Community aus Autoren, Fotografen und Codern gibt oder Wikimedia Vereine, die diese in ihrer Arbeit unterstützen. Wie würdest du diesen Leuten die Community und die Zusammenarbeit mit ihr in wenigen Worten beschreiben?
In einer immer komplexer werdenden Gesellschaft tauchen bei manchen Menschen hin und wieder Gefühle einer Ohnmacht auf. Im schlimmsten Fall fühlen sie sich einem System sogar ausgeliefert. Bei großen Projekten wie der Wikipedia wird oft unterschätzt, wie sehr das Engagement der oder des Einzelnen eigentlich wirklich zählt. Wenn man dann aber Menschen aus der Community kennenlernt, kann man genau das beobachten: Der Einsatz eines Individuums macht einen direkten, sichtbaren Unterschied. Die Freude an genau diesem gesellschaftlich relevantem Mitgestalten ist etwas, das ich wohl mit vielen Wikipedianer*innen teile und das ich nur weiterempfehlen kann.