Interview: Maximilian Schubert

Dr. Maximilan Schubert
Generalsekretär Internet Service Providers Austria (ISPA)
Präsident EuroISPA

Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Projekte wie die Wikipedia auch künftig im Internet wachsen und gedeihen können? Und wie können wir diese Rahmenbedingungen mitgestalten? Mit der österreichischen Ratspräsidentschaft 2018, die zeitgleich mit wichtigen Entscheidungen rund um die EU-Urheberrechtsreform stattfand, waren diese Fragen für uns aktueller und dringlicher denn je. Neben unseren Wikimedia-Kolleg*innen vor Ort in Brüssel sind nationale Partnerschaften und Netzwerke für Wikimedia Österreich zentral, um den Anliegen unserer Communities auf politischer Ebene Gehör zu verschaffen. Ein wichtiger Verbündeter in unserem Kampf für freies Wissen im Internet ist Dr. Maximilian Schubert, Generalsekretär der Interessenvertretung der Internetanbieter Österreichs.

Dr. Maximilan Schubert
Dr. Maximilan Schubert (Foto ©ISPA)

Interview

Was waren aus deiner Sicht die zentralen gemeinsamen Herausforderungen von Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Bereich Netzpolitik in den vergangenen Monaten?

Die Verhandlungen über die Copyright-Richtlinie oder die Entwürfe der EU-Kommission für eine Verordnung über den grenzüberschreitenden Zugang zu elektronischen Beweismitteln sowie für eine zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte online stellen besorgniserregende Entwicklungen dar, welche unmittelbaren Einfluss auf das gesamte Internet-Ecosystem haben werden.

Diese Dossiers haben das Potenzial, einerseits immens die Vielfalt an Online-Inhalten zu gefährden: durch die Implementierung von Upload-Filtern, durch die Verdrängung von zahlreichen kleinen Online-Content-Anbietern aufgrund der Einführung eines europaweiten Leistungsschutzrechts für Presseverleger oder durch die verpflichtende Löschung von Online-Inhalten durch Hosting-Anbieter auf Zuruf von Behörden und sonstigen Bezugsgruppen, ohne eine vorausgehende Überprüfung durch gerichtliche Stellen.

Andererseits werden zudem durch die Ermöglichung des grenzüberschreitenden Zugangs zu elektronischen Beweismitteln im gegenwärtigen Verordnungsentwurf der EU-Kommission die Einhaltung der Grundrechte sowie Rechtsschutz für betroffene Nutzerinnen und Nutzer untergraben.  

Diese Themen haben aus Sicht der ISPA den öffentlichen Diskurs in den vergangenen Monaten dominiert.

Zahlreiche Wikimedia-Vereine arbeiten auf europäischer Ebene im Rahmen der sog. EU Advocacy Group zusammen und teilen sich mittlerweile sogar ein zweiköpfiges Team in Brüssel. Welchen Beitrag kann diese Initiative aus deiner Sicht für die Zukunft des Internets leisten und unter welchen Bedingungen?

Um das regulatorische Umfeld in Europa für Freies Wissen im Internet optimal gestalten zu können, bedarf es einer Teilhabe aller Stakeholder am europäischen Gesetzgebungsprozess. Genau diese setzt eine direkte Interaktionen mit den Institutionen und Stakeholdern vor Ort voraus. Vor diesem Hintergrund ist diese Initiative zu unterstützen und begrüßenswert. Das Wikimedia-Team in Brüssel verfügt über ausgezeichnete Expertise und Know-how und ist damit ein hervorragendes Beispiel für eine netzpolitische Organisation auf europäischer Ebene.

Welche Rolle spielt aus deiner Sicht Freies Wissen in unserer Gesellschaft – heute und in Zukunft?

Die Entwicklung des Internets stellt eine der größten Erfolgsgeschichten des 20. bzw. 21. Jahrhunderts dar. Dies ist nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass das Internet allen Nutzerinnen und Nutzern einen unregulierten bzw. unzensierten Zugang zu Informationen ermöglicht. Gerade die Möglichkeit, Inhalte mithilfe digitaler Technologien rasch einem sehr großen internationalen Publikum zugänglich zu machen, sichert Vielfalt.

Anbieter von Inhalten aller Art können mit digitalen Technologien sehr schnell ein entsprechendes Publikum bzw. einen entsprechenden Markt erreichen und Bekanntheit erlangen. Es gilt diese Vielfalt zu bewahren, um das Florieren des Internets und seiner Errungenschaften auch für zukünftige Generationen sicherzustellen.

Vielen Leser*innen der Wikipedia ist nicht bewusst, dass es hinter der Webseite eine Community aus Autor*innen, Fotograf*innen und Coder*innen gibt oder Wikimedia-Vereine, die diese in ihrer Arbeit unterstützen. Wie würdest du diesen Leuten die Community und die Zusammenarbeit mit ihr in wenigen Worten beschreiben?

Als einen Zusammenschluss von Nutzerinnen und Nutzern, welche die immense Bedeutung der Verbreitung von freien Inhalte mithilfe digitaler Technologien begreifen und hierfür oftmals persönliche Ressourcen einsetzen; hierfür gebührt ihnen größter Dank und Anerkennung.