Was braucht die digitale Zivilgesellschaft?

Freies Wissen in Österreich und Europa braucht ein gemeinwohlorientiertes digitales Ökosystem. Wikimedia Österreich hat daher in Zusammenarbeit mit der digitalen Grundrechte-Organisation epicenter.works einen Forderungskatalog an die nächste Regierungskoalition verfasst.

Staatliche Überwachung

  • Schutz verschlüsselter Kommunikation. Vertraulichkeit und Integrität in der Digitalisierung kann nur mittels Verschlüsselungstechnologie hergestellt werden. Deshalb sollte das Koalitionsabkommen ein Bekenntnis zur Bedeutung von verschlüsselter Kommunikation beinhalten, ähnlich wie in der Ampelkoalition in Deutschland („Wir führen ein Recht auf Verschlüsselung […] ein.„).
  • Aufrechterhalten des Neins zur Chatkontrolle. Der von allen Parteien mitgetragene Beschluss im EU-Unterausschuss, welcher dem Vorschlag für eine Chatkontrolle auf EU-Ebene eine Abfuhr erteilt, sollte in der nächsten Legislaturperiode aufrechterhalten bleiben.
  • Keine Klarnamenpflicht und keinen digitalen Ausweiszwang als Voraussetzung für das Posten auf sozialen Netzwerken, in online Foren oder beim Bezug eines Internetanschlusses

Verwaltung

  • Public Money, public Code. Verwaltungsaufgaben werden regelmäßig mit proprietärer Software gelöst, wofür wiederkehrende hohe Lizenzkosten anfallen. Diese Gelder werden in überwiegendem Maße an ausländische Unternehmen gezahlt. Billiger und nachhaltiger wäre der Einsatz von quelloffener bzw. freier Software für diese Aufgaben. Damit bliebe die Wirtschaftsleistung im Inland, da oftmals auch mittels Supportverträgen für freie Software der österreichische Mittelstand gestärkt wird. Zusätzlich entstehen Vorteile für Transparenz und Effizienz für staatliches Handeln.
  • Informationsfreiheitsgesetz als Priorität. Die Umsetzung des Grundrechts auf Informationsfreiheit wird eine gesamtstaatliche Herausforderung mit der alle Ebenen des Staates konfrontiert sind. Es sind ausreichend Ressourcen, politischer Wille zur Transparenzkultur und weitere Hilfestellungen zur Sicherstellung des Datenschutzes notwendig.
  • Förderung von Open Data. Das Portal data.gv.at ist weiter auszubauen und mit Informationen der Verwaltung zu befüllen. Ein Rechtsanspruch auf offene Daten soll verankert werden, um Rechtssicherheit sowohl für Informationswerber*innen als auch auskunftspflichtigen Stellen zu schaffen.

KI und Telekommunikation

  • Klares Bekenntnis zur Netzneutralität im Koalitionsabkommen. Die Netzneutralität ist ein Kernprinzip für das offene Internet. Ihr Erhalt garantiert Wahlfreiheit, Wettbewerb und Innovation. Sie ist als politisches Bekenntnis und in ihrer Umsetzung zu garantieren.
  • Umsetzung des AI Act der EU in Österreich durch Betrauung einer unabhängigen Behörde.
  • Digitale Souveränität auf europäischer Ebene durch Stärkung der Unabhängigkeit von amerikanischen oder chinesischen Technologieanbietern. Dabei soll insbesondere auf offene Standards, Open Source und europäische Ökosysteme Rücksicht genommen werden.

Bildung und Forschung

  • Kein Big Tech an Österreichs Schulen, sowohl in den Ausbildungswerkzeugen, bei der Hardware Ausstattung und in der Verwaltung an Österreichs Schulen. Diese Maßnahme bringt massives Einsparungspotential, da anstelle von teuren Lizenzkosten an Microsoft künftig freie Software von österreichischen/europäischen Anbieter*innen bezogen werden kann.
  • Digitale Grundbildung muss weiter ausgebaut werden. Dabei ist insbesondere ein Schwerpunkt auf Lehrer*innenaus- und weiterbildung, sowie auf Erwachsenenbildung zu setzen. Fördersysteme sollten eine flächendeckende Versorgung ermöglichen.
  • Prinzip der Datensparsamkeit im gesamten Bereich des österreichischen Schulwesens. Die im Bildungsbereich gesammelten personenbezogenen Daten gehören zu den nach Art und Umfang neben dem Gesundheitsbereich kritischsten staatlichen Datensammlungen. Im Zuge des Digitalisierungspakets für Schulen wurden die Verknüpfungs- und Abgleichsmöglichkeiten aus anderen Verwaltungsbereichen noch einmal stark ausgeweitet. Die über Schüler*innen und Eltern gesammelten Daten sollten auf Notwendigkeit geprüft und die bei der Gesetzwerdung versprochene Datenschutzfolgenabschätzung möglichst bald durchgeführt werden.
  • Frei lizenzierte Schulungsunterlagen, die zielgruppengerecht ein Grundwissen für den selbstbestimmten Umgang mit digitaler Technik vermitteln, sollten gezielt gefördert werden. Dadurch wäre auch ein Einsparungspotential zu erzielen, da frei lizenzierte Online-Schulungsunterlagen für diese Zwecke tauglicher und billiger sind.
  • Konzepte für digitale Bildung an allen Schultypen und insbesondere Bundesschulen müssen weiter ausgearbeitet werden.

Barrierefreiheit

  • Inhaltsangebote des Bundes sollen in Gebärdensprache, einfacher Sprache und für sehbehinderte Personen im Audioformat angeboten werden.
  • Die Angebote des Bundes sollten auf ihre Web Accessibility hin überprüft und aufgerüstet werden.

Förderung der netzpolitischen Zivilgesellschaft

  • Grundförderung für netzpolitische Vereine. Österreichs digitalpolitische NGOs haben in den vergangenen Jahren unheimlich viel geleistet. Die Arbeit dieser Akteur*innen hat europäische und weltweite Anerkennung gefunden und trägt zum Ansehen Österreichs bei. Sie leisten einen Beitrag für die Qualität und Sicherheit der digitalen Systeme im Land und schaffen mit ihrer Arbeit das Vertrauen in der Bevölkerung, was die Basis für erfolgreiche Digitalisierung liefert. Diese Arbeit wird bisher nur mit Spenden aus der Zivilgesellschaft gefördert. Es braucht dringend ein Förderprogramm, um die wichtige Arbeit dieser Akteur*innen zu sichern.
  • Bekenntnis zur Bedeutung der Zivilgesellschaft als Säule der freien, demokratischen Grundordnung Österreichs. Das Koalitionsabkommen sollte die zentrale Rolle von NGOs und Bürgerbewegungen für den demokratischen Diskurs und das friedliche Zusammenleben im Land herausstreichen.