Interview: Thomas Lohninger

Thomas Lohninger

Geschäftsführer AKVorrat – Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, Netzaktivist

Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Projekte wie die Wikipedia auch künftig im Internet wachsen und gedeihen können? Und wie können wir diese Rahmenbedingungen mitgestalten? Große Fragen, für deren Beantwortung wir weit über den Tellerrand unserer Community in Österreich hinaus schauen müssen. Wichtige Entscheidungen z.B. bzgl. Urheberrecht oder Netzfreiheit fallen mittlerweile auf europäischer Ebene – um hier bestehen zu können, braucht man die richtigen Partner. In unserem Fall ist das Thomas Lohninger – einer der umtriebigsten und erfolgreichsten Netzaktivisten Österreichs.

Netzpolitik betrifft uns alle, dennoch ist es nicht leicht diese Thematik und ihre Bedeutung auf breiter Ebene zu vermitteln. Was ist dein Geheimrezept, um Menschen rund um diese Fragen zu mobilisieren?

Das Rezept ist aus Politik kein Geheimwissen zu machen, sondern politische Prozesse zu öffnen und Menschen, dort wo Politik sie in ihrer Alltagsrealität betrifft, auch die Chance zu geben ihrem eigenen Willen Gehör zu verschaffen. Jede gute Kampagne erlaubt es einer breiten Öffentlichkeit teilzunehmen und sich selbst einzubringen. Am Erfolgreichsten ist ein Anliegen, wenn viele Menschen sich eines Kampagnen-Themas annehmen und autonom etwas damit machen, sozusagen wenn man selbst die Kontrolle über die eigene Kampagne verliert.

Als wir unsere Bürgerinitiative gegen die Vorratsdatenspeicherung gestartet haben ist genau das passiert. Auf einmal haben Menschen, von denen wir nicht einmal wussten, unsere Unterschriften Listen ausgedruckt und sind damit von Tür zu Tür gelaufen. So haben wir insgesamt 106.067 Unterschriften gegen die Vorratsdatenspeicherung gesammelt. Als wir uns europaweit für die Netzneutralität organisierten, haben wir unsere gesamte Kampagnen-Plattform auf eine Open-Source Plattform gestellt, was dazu geführt hat, dass unsere Kampagne am Ende in 9 Sprachen verfügbar war, weil es Freiwilligen einfach gemacht wurde die Inhalte zu übersetzen.

Es gibt kein einfaches Kochrezept für erfolgreiche politische Kampagnen, man muss auch immer mit dem richtigen Thema zur richtigen Zeit einen Nerv treffen. Aber dann geht es darum den Leuten zu vertrauen und den kleinen Kreis an hochmotivierten Menschen mit tiefem Fachwissen der Gesetzesmaterie mit einer breiten, autonomen Bewegung der Zivilgesellschaft zu einer schlagkräftigen Bewegung zusammen zu bringen. So kann man auch die aussichtslosen Kämpfe gewinnen.

Zahlreiche Wikimedia-Vereine arbeiten auf europäischer Ebene im Rahmen der sog. EU Advocacy Group zusammen. Welchen Beitrag kann diese Initiative aus deiner Sicht für die Zukunft des Internets leisten und unter welchen Bedingungen?

Wikimedia ist essentiell für den Erfolg der anstehenden Urheberrechtsreform auf EU-Ebene. Wir brauchen dringend eine Modernisierung der rechtlichen Grundlage für kollaboratives Arbeiten im Netz, neue digitale Ökonomien und der simplen Alltagsrealität unseres digitalen Lebens und Arbeitens.

Wikimedia ist die einzige netzpolitische Struktur, die in vielen europäischen Ländern lokal verankert ist und dadurch hat sie die einzigartige Möglichkeit auch pan-europäisch koordinierte Kampagnen zu fahren. Wir haben sowohl in den EU-Gesetzen zum Datenschutz als auch zur Netzneutralität gesehen, wie eine gute Vorlage aus dem Europa Parlament auf Ratsebene von den Mitgliedsstaaten verwässert und verzögert wurde. Direkt in Brüssel für netzpolitische Themen einzustehen ist leider nur der halbe Weg, wir brauchen auch starke Partner in allen 28 Mitgliedsländern, die auf nationalstaatlicher Ebene Druck machen, netzpolitische Themen in die Medien tragen und die Zivilgesellschaft mobilisieren. Wikimedia ist die einzige netzpolitische Organisation, welche groß und breit genug aufgestellt ist, um diese Art von Druck überhaupt aufzubauen. Für den Kampf um ein modernes Urheberrecht brauchen wir Wikimedia.

Was macht Wikimedia Österreich zu einem guten Sparringpartner im Kampf für Open Culture in Österreich und Europa?

Ich habe das Team von Wikimedia Österreich als eines der motiviertesten und fähigsten im ganzen Open Culture Bereich wahrgenommen. Die Open Szene in Österreich wäre ohne euch um ein großes Stück ärmer und grauer. Gerade weil alle die Wikimedia kennen und nutzen, ist ihr Beispiel das beste Argument in vielen politischen Debatten rund um das Potential neuer Formen von Kultur- und Wissensproduktion.

Was war dein persönlicher Höhepunkt in der bisherigen Zusammenarbeit?

Ich glaube der Höhepunkt unserer Zusammenarbeit war die Erstellung des Open Data Portals in Österreich. So eine zukunftsweisende Idee gemeinsam umzusetzen hat uns allen gezeigt wie einfach man auch in Österreich mit relativ wenig Ressourcen und einem kleinen Team an motivierten Leuten etwas noch nie da gewesenes Schaffen kann, dass auch Teil einer größeren Open-Data-Strategie wurde.

Ich glaube gerade weil wir in Österreich in manchen Bereichen recht weit vorne sind, haben wir die Möglichkeit und Aufgabe über den Tellerrand zu schauen und zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln. Ich glaube mit Vienna Open haben wir uns auch eine integrative Basis für genau diese Innovation über alle Vereins und Grätzl-Grenzen hinweg geschaffen.

Vielen Lesern der Wikipedia ist nicht bewusst, dass es hinter der Webseite eine Community aus Autoren, Fotografen und Codern gibt oder Wikimedia-Vereine, die diese in ihrer Arbeit unterstützen. Wie würdest du diesen Leuten die Community und die Zusammenarbeit mit ihr in wenigen Worten beschreiben?

Meine Botschaft wäre: “Traut euch”. Die Community ist voller fähiger, begeisterter Leute mit denen es sehr viel Spaß macht zusammen zu arbeiten, um Großes zu bewerkstelligen. Vernetzt euch und bringt euch ein!

Ich finde wir sollten uns alle insbesondere in unserem politischen Handeln an das ursprüngliche Motto der Wikipedia erinnern: “Sei mutig!”.

Urheber: Thomas Lohninger (Eigenes Werk) [CC-BY-SA 3.0 Thomas Lohninger]