Wiki-Tapas beim Hackathon in Barcelona

Vor einem Jahr war Wikimedia Österreich Gastgeberin der größten Technikveranstaltung des Wikiversums. 250 Entwickler*innen aus aller Welt verbesserten beim Wikimedia Hackathon 2017 in Wien die Software, die hinter Wikipedia & Co steckt. Die Veranstaltung wandert jedes Jahr in ein anderes Land. Am vergangenen Wochenende fand der  Wikimedia Hackathon 2018 in Barcelona statt. Gastgeberin war Amical Wikimedia, der katalanische Zweigverein.

Für die Veranstaltung letztes Jahr in Wien durfte ich das Team von Wikimedia Österreich als Freelancerin für Outreach, Programm- und Eventkoordination unterstützen. Den Hackathon in Barcelona besuchte ich als Teilnehmende – in Perspektivenwechsel, der mir neue Einblicke ins Wikiversum verschafft hat.

Der Hackathon 2018 fand von Freitag, 18. Mai bis Sonntag, 20. Mai auf dem Campus der Autonomen Universität Barcelona statt. Durch eine Kooperation von Wikimedia Amical mit der Universität konnten die Räumlichkeiten des Instituts für Ingenieurwesen für einzelne Sessions und freies Arbeiten genutzt werden, sowie ein großes Auditorium für die Eröffnung und Abschlussveranstaltung. Die Veranstalter*innen zählten rund 240 Teilnehmende, davon etwa 20% Frauen (48 Teilnehmerinnen) und etwa 10% Neulinge (23 Teilnehmende). Die Organisation durch Wikimedia Amical erfolgte fast ausschließlich durch ehrenamtliche Arbeit, wie es den Prinzipien des Zweigvereins entspricht, und war geprägt von katalanischem Charme.

Gruppenfoto vom Hackathon 2018 in Barcelona. Urheber: Ckoerner [CC BY-SA 4.0] (eigenes Werk), via Wikimedia Commons

Gruppenfoto vom Hackathon 2018 in Barcelona ( Ckoerner, CC BY-SA 4.0)

Durch kulinarische Unternehmungen im Vorfeld schon auf den Geschmack von spanischen Tapas gekommen, übernahm ich das Prinzip der Appetithäppchen auch für meine Arbeit am Hackathon selbst: Anstatt mich auf ein einziges Projekt zu konzentrieren widmete ich mich mehreren kleinen Köstlichkeiten:

Ich entwickelte Fragen (und Antworten) zum Wikimedia Movement Strategy Process. 
Nachdem im letzten Jahr bereits die Vision für das Wikiversum im Jahr 2030 definiert wurde, ist der Strategieprozess nun in Phase zwei: Es gilt nun, Mittel, Wege und konkrete Lösungen zu finden, wie sich diese Ziele erarbeiten lassen. Angeleitet durch die Prozessleiterin Nicole Ebber widmeten wir uns am Wochenende der großen Aufgabe, die Kompetenzen der Technology Working Group näher zu definieren: Diese Arbeitsgruppe soll die Ziele im Bereich Wikimedia-Technologien erarbeiten. Aus einer spannenden Diskussion zwischen mehreren Teilnehmenden ließen sich konkrete Fragen destillieren, wie etwa: „Welche 5 Kriterien müssen erfüllt werden, um Diversität in der Arbeitsgruppe sicherzustellen?“ und „Welche Tools soll die Arbeitsgruppe nutzen, um ihre Diskussion zu führen?“ Diese Fragen und die ersten Antworten, die wir dazu im Lauf des Wochenendes entwickelten, bilden die Grundlage für die weitere Arbeit im Bereich Technologie des Movement Strategy Process. (Mehr zu den Arbeiten am Wochenende finden sich im entsprechenden Task auf Phabricator und in diesem Etherpad.)

Das Mentor*innenprogramm, das wir im Vorjahr für den Hackathon entwickelten und abhielten (für das unser Team den Open Minds Austria Award in der Kategorie Diversity erhielt), führte die Wikimedia Foundation dieses Jahr in verkleinerter Form weiter. Ich unterstütze das Programm und die diesjährigen Verantwortlichen als Hands-on-Unterstützung vor Ort und mit meiner Erfahrung zur Programmentwicklung. (Tasks auf Phabricator: Poster-Session and Mentor-Newcomer Matching; Feedback im Etherpad)

Wie auch beim letzten Hackathon drehte sich einiges um Wikidata. Ich nutzte die Gelegenheit, das deutsche Wikidata-Team näher kennenzulernen und ergatterte auch gleich ein kleines persönliches Wikidata-Coaching durch Lea und Jens. (Komfortable Wikidata-Socken gab’s als Geschenk obendrauf.)
Ich konnte mein Profil um etwa 110 Edits aufpolieren und fütterte die Datenplattform mit Übersetzungen vom Englischen ins Deutsche. Dazu nutzte ich das Tool Translathaton, dass ich schon bei unseren Wikidata Workshops in Wien kennengelernt habe – eine tolle Möglichkeit für alle, die gerne etwas zu Wikidata beitragen wollen,  sich aber (noch) nicht an größere Datenarbeit herantrauen. (Task auf Phabricator)

Mit meinen Deutschkenntnissen unterstütze ich auch die Entwicklerin Anne-Laure, die sich der Übersetzung des Wikidata-Skripts namescript.js widmete: Das kleine Programm fügt automatisch alle Übersetzungen für Eigennamen, die naturgemäß in allen Sprachen gleich lauten, in Wikidata hinzu. Durch mein Zutun spuckt es Fehler- und Erfolgsmeldungen nun auch auf deutsch aus. (Task auf Phabricator)

Ich verschaffte mir einen Blick hinter die Kulissen der Software, die hinter dem Outreach Dashboard steckt: Das Outreach Dashboard hilft beim Organisieren und Nachvollziehen von z.B. Edit-a-thons und Online Kampagnen. Organisator*innen können Lerninhalte, einmalige Events oder langwährende Projekte einfach mit den Teilnehmenden teilen – diese loggen sich auf dem Dashboard mit ihrem Wikimedia Usernamen ein, und das Dashboard trackt automatisch alle Edits und Uploads, die in diesem Projekt anfallen. Die Daten dazu lassen sich in übersichtlichen Grafiken darstellen und herunterladen – eine große Erleichterung für das Reporting und die Evaluation von Community-Aktivitäten. Das Outreach Dashboard wird als klassisches Open Source Projekt von vielen Programmierer*innen weiterentwickelt. Zwei davon traf ich persönlich: Von Medha und Sajel holte ich mir Tipps und Tricks zu den Features und der optimalen Bedienung des Outreach Dashboards – nützliches Wissen, das sich gut für nächste Unternehmungen für Wikimedia Österreich anwenden lässt! (Projekt auf GitHub, Task auf Phabricator)

Im Auftrag des Design Teams der Wikimedia Foundation wurde ich zur Testnutzerin der Wikipedia App für iOS. Ich prüfte, wie sich die App bedienen lässt und wie mich die Gestaltung durch die Funktionalitäten führt. Meine Eindrücke gab ich dabei in Echtzeit wieder. Die App-Designerin selbst saß neben mir, filmte meine Bewegungen am Bildschirm und stellte gelegentlich Fragen – und beglückte mich am Ende mit einem Wikipedia T-Shirt! (Task auf Phabricator)

Die anderen Hackathon-Teilnehmer*innen waren ebenfalls äußerst produktiv und präsentierten beim abschließenden Showcase zahlreiche Projekte, darunter ein Wiki-Text Keyboard für Android, eine neue Wikipedia in der Sprache Fon (gesprochen von rund vier Millionen Menschen in Benin, Afrika) und das CollabPad für Visual Editor, mit dem mehrere User gleichzeitig an einem Artikel arbeiten können.

Den Hackathon in der Rolle als Teilnehmerin besuchen war ebenso inspirierend wie spannend; ich konnte das Wikiversum aus einem weiteren Blickwinkel erleben und neue Facetten kennenlernen. Um einige Wiki-Kleidungsstücke, ganz viel Inspiration und Know-How reicher, freue mich mich nun darauf, das gewonnene Wissen für Wikimedia Österreich einzusetzen.


Mehr zum Hackathon 2018 in Barcelona:
Für alle, die mehr zum Hackathon sehen und hören wollen gibt’s die Videoaufzeichnungen einiger Sessions (Workshops, Vorträge etc.), ein Video der 32 Abschlusspräsentationen sowie zahlreiche Fotos auf Wikimedia Commons.
Wer mehr Artikel wie diesen lesen möchten, in dem andere Teilnehmende von ihrem Wochenende berichten, wird bei dieser Liste von Blogbeiträgen fündig.
Wer  tief in die technische Materie eintauchen möchte, findet hier die offizielle Phabricator-Dokumentation aller Projekte, die im Laufe des Wochenendes entstanden sind.