Stellungnahme zum neuen ORF-Gesetz

Was wir (nicht) in der ORF-Novelle brauchen

Der Österreichische Rundfunk (ORF) hat eine zentrale Rolle in unserer Informationsgesellschaft. Sein Kernauftrag besteht darin, qualitativ hochwertige Inhalte zu produzieren, die für eine moderne Demokratie unersetzlich sind und das Vertrauen der Bevölkerung genießen. Gerade in einer von Desinformation geprägten Zeit sind vertrauenswürdige und für alle zugängliche Informationsangebote ein wichtiger Anker, der Orientierung bietet.

Wir freuen uns deshalb, gemeinsam mit der Bürgerrechtsorganisation epicenter.works eine Stellungnahme zum neuen ORF-Gesetz abzugeben. In Anbetracht der großen Bedeutsamkeit dieser Gesetzesnovelle kritisieren wir jedoch die sehr knappe Begutachtungsfrist von drei Wochen.

Im Dezember 2021 haben wir im Rahmen unserer ORF.wie.Wiki. Kampagne bereits ein Positionspapier zur bevorstehenden Reform des ORF-Gesetzes unterbreitet.

Download: Stellungnahme Wikimedia Österreich ORF Gesetz (PDF, 1,2 MB)

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Freies Wissen – eine Symbiose

Besonders relevant sind die Angebote des Österreichischen Rundfunks für die Erstellung hochqualitativer enzyklopädischer Inhalte als Belegstellen und externe Quellen. Der hohe Qualitätsanspruch des ORF sowie dessen Verortung als weitestgehend – ideologisch wie auch kommerziell – „neutraler“ Akteur am österreichischen Medienmarkt machen die von diesem geschaffenen Nachrichteninhalte zu besonders wertvollen Quellen bei der Erstellung ausgewogener enzyklopädischer Inhalte.

Hierbei wird dem Anspruch der Nutzer*innen in doppelter Weise Rechenschaft getragen: Zum einen wird mit dem Angebot glaubwürdiger Quellen in frei nutzbaren Enzyklopädien wie der Wikipedia die Nachvollziehbarkeit der dort verfügbaren Informationen erhöht, zum anderen wird aber auch den Angeboten des ORF dadurch eine höhere Reichweite undZugänglichkeit verschafft.

Wichtige Voraussetzungen im aktuellen Gesetzesentwurf nicht gegeben

Dies setzt allerdings mehrlei voraus. Zum einen, dass die Inhalte, auf die sich die jeweiligen Quellenangaben beziehen, in ihrer ursprünglichen Form erhalten bleiben (und insofern nicht einem Löschzwang nach Ablauf einer bestimmten Frist unterliegen).

Zum anderen müssen oder die ursprüngliche Adressierung zumindest eine Weiterleitung auf die gesuchten Inhalte bereitstellt (Tim Berners-Lee, „Cool URIs don’t change“, 1998) und ebenso, dass der Zugang zu diesen Inhalten in keiner Form nachträglichen Zugangsbeschränkungen (z.B. „Paywalls“) unterworfen wird. 

Dass es der vorliegende Gesetzesentwurf unterlässt, eine solche konstante Zugänglichkeit von Online-Inhalten des ORF sicherzustellen – und vielmehr diese durch die zeitliche Begrenzung der Abrufbarkeit noch weiter normiert – ist daher aus Sicht jener on- und offline Projekte, die auf die Inhalte des ORF als Quellen angewiesen sind, eine kritikwürdige Fehlentwicklung.

Weitere Infos: Download Stellungnahme Wikimedia Österreich ORF Gesetz (PDF, 1,2 MB)